Glossar

Glossar zu Patientensicherheit

Für ein systematisches Verständnis von Patientensicherheit gibt es einige grundlegende Schlüsselbegriffe, die im APS verwendet werden.

Die Definitionen der folgenden Begriffe basieren im Wesentlichen auf und sind entnommen aus:

M Schrappe, APS-Weißbuch Patientensicherheit
Sicherheit in der Gesundheitsversorgung: neu denken, gezielt verbessern
Hrsg.: Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V., Berlin 2018

  1. 11, Infobox 4, und S. 237 – 238, Infobox 36

Alle Literaturangaben beziehen sich auf die Verweise im Weißbuch.

 

Patientensicherheit

Patientensicherheit ist das aus der Perspektive der Patienten bestimmte Maß, in dem handelnde Personen, Berufsgruppen, Teams, Organisationen, Verbände und das Gesundheitssystem

  1. einen Zustand aufweisen, in dem unerwünschte Ereignisse selten auftreten, Sicherheitsverhalten gefördert wird und Risiken beherrscht werden,
  2. über die Eigenschaft verfügen, Sicherheit als erstrebenswertes Ziel zu erkennen und realistische Optionen zur Verbesserung umzusetzen, und
  3. in der Lage sind, ihre Innovationskompetenz in den Dienst der Verwirklichung von Sicherheit zu stellen.

 

Behandlungsfehler (negligent AE)

Ein Vermeidbares Unerwünschtes Ereignis, das die Kriterien der Sorgfaltsverletzung erfüllt.

 

Beinaheschaden (near miss)

Ein Fehler ohne konsekutives Auftreten eines Unerwünschten Ereignisses.

 

Ereignis (event, incident)

Ein Ereignis stellt einen Zwischenfall, einen Prozess, eine Vorgehensweise oder ein Ergebnis dar, das das Risiko für das Eintreten eines Unerwünschten Ereignisses erhöht oder tatsächlich in ein Unerwünschtes Ereignis mündet, und auch das Versagen von Präventionsmaßnahmen miteinschließt.

 

Fehler (error)

Nichterreichen eines geplanten Handlungszieles, bei dem eine Abweichung vom Plan, ein falscher Plan oder kein Plan vorliegt. Ein Fehler kann zu einem Unerwünschten Ereignis führen oder nicht.

 

Kritisches Ereignis (critical incident)

Ereignis, das das Risiko für das Eintreten eines schwerwiegenden Unerwünschten Ereignisses erhöht oder tatsächlich in ein schwerwiegendes Unerwünschtes Ereignis mündet. Ein kritisches Ereignis bedingt die sofortige Untersuchung und Reaktion.

 

Medikationsfehler

Ein Abweichen von dem für den Patienten optimalen Medikationsprozess, das zu einer grundsätzlich vermeidbaren Schädigung des Patienten führt oder führen könnte.

 

Never Events

(Definition folgt nach Beendigung und Veröffentlichung durch die Expertengruppe)

 

Risikomanagement

Gesamtheit der Strategien, Strukturen, Prozesse, Instrumente und Aktivitäten in Prävention, Diagnostik, Therapie und Pflege, die die Mitarbeitenden aller Ebenen, Funktionen und Berufsgruppen unterstützen, Risiken bei der Patientenversorgung zu erkennen, zu analysieren, zu beurteilen und zu bewältigen, um damit die Sicherheit der Patienten, an deren Versorgung Beteiligter und der Organisation zu erhöhen.

 

Sicherheitskultur

Eine Sicherheitskultur spiegelt wider, wie sich eine Organisation in Wirklichkeit für sicherheitskritische Probleme engagiert („die Art und Weise, wie wir die Dinge hier machen“). Sie wird auch definiert als „das Produkt von individuellen und Gruppenwerten, Haltungen, Kompetenzen und Verhaltensmustern, die das Engagement einer Organisation, ihre Tüchtigkeit und ihre Art bestimmen, wie Gesundheit und Sicherheit im Betrieb gewährleistet werden“.

 

Unerwünschtes Ereignis (UE) (adverse event, harm)

Ein unbeabsichtigtes negatives Ergebnis, das auf die Behandlung zurückgeht und nicht der bestehenden Erkrankung geschuldet ist. Es kann vermeidbar oder unvermeidbar sein.

 

Vermeidbares Unerwünschtes Ereignis (VUE) (preventable AE)          

Ein auf einen Fehler zurückzuführendes Unerwünschtes Ereignis.

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Wer sich intensiver mit der Terminologie und Nomenklatur von Patientensicherheit befassen möchte, sei auf das „APS-Weißbuch Patientensicherheit“ verwiesen, dem die meisten aufgeführten Definitionen entnommen sind (siehe S. 11, Infobox 4, S. 234– 244, Infobox 36).

 

Weitere Begriffe, z.B. aus den Bereichen Arzneimittelmittetherapiesicherheit, Berichts- und Lernsysteme (CIRS), Digitalisierung, Medizinprodukte, Psychotherapie und Risikomanagement sind in den jeweiligen Handlungsempfehlungen bzw. nachfolgend aufgeführt.

  

Begriffe aus dem Bereich „Digitalisierung“

 

App
Der Begriff „App“ ist eine Abkürzung und steht für „Application“, übersetzt Anwendung. Dies sind verschiedenste Programme wie z.B. zur Bildbearbeitung oder Nachrichtenversendung für Smartphones, Tablets und Wearables, die heruntergeladen und installiert werden können.
https://de.wikipedia.org/wiki/App_Store
https://www.gruenderszene.de/lexikon/begriffe/app

DATENSCHUTZ
Betrifft das Recht der oder des Einzelnen, über die Verwendung seiner Daten zu entscheiden, seine oder ihre Privatsphäre zu wahren und vor missbräuchlicher Datenverwendung zu schützen. Der Datenschutz soll der in der zunehmend digitalen und vernetzten Informationsgesellschaft bestehenden Tendenz zum sogenannten gläsernen Menschen, dem Ausufern staatlicher Überwachungsmaßnahmen und der Entstehung von Datenmonopolen von Privatunternehmen entgegenwirken.
https://www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/themen_und_schwerpunkte/ikt/Glossar-Digitalisierung-und-nachhaltige-Entwicklung.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Datenschutz

DATENSCHUTZERKLÄRUNG
In einer Datenschutzerklärung informiert ein Unternehmen oder Anbieter welche Daten, wann und warum gesammelt, genutzt und ggf. an Dritte weitergegeben werden. Außerdem werden die Maßnahmen genannt, die ergriffen werden, um die Sicherheit und ordnungsgemäße Verwendung der im Verlauf des Geschäftskontaktes erhobenen Daten seiner Kunden oder Nutzer zu gewährleisten.
https://www.duden.de/rechtschreibung/Datenschutzerklaerung
https://de.wikipedia.org/wiki/Datenschutzerklärung

DATENSICHERHEIT
Unter Datensicherheit werden alle technischen Aspekte verstanden, die dem Schutz unterschiedlicher Daten dienen. Dabei werden bestimmte Ziele verfolgt: Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit. Vertraulichkeit bedeutet, dass der Zugriff auf die Daten nur von befugten Personen vorgenommen werden kann. Der Begriff der Integrität beinhaltet, dass die Daten sowohl vor Manipulation als auch vor technischen Defekten geschützt sind. Die bedeutet, dass vorhandene Daten im Bedarfsfall auch verwendet werden können.
Während es bei der Datensicherheit vor allem um den technischen Schutz von Daten im Allgemeinen geht, zielt der Datenschutz auf den Schutz der personenbezogenen Daten ab.
https://www.datenschutz.org/datensicherheit-massnahmen/
https://de.wikipedia.org/wiki/Informationssicherheit#Datensicherheit

DIGITALISIERUNG
Digitalisierung beschreibt die Umwandlung analoger Werte oder Daten in ein digital nutzbares Format. Als stark vereinfachtes Beispiel: Wenn man vom bisher von Hand geschriebenen Einkaufszettel auf Notizen im Handy umsteigt hat man den Einkaufszettel digitalisiert. Die Digitalisierung betrifft nahezu alle Lebensbereiche. Für das Gesundheitswesen bedeutet sie vorwiegend, dass medizinische Daten von Patienten wie Befunde oder Labordaten elektronisch erfasst und verarbeitet werden. Immer mehr Menschen nutzen darüber hinaus Apps oder sogenannten Wearables um das eigene Gesundheitsverhalten zu überwachen oder diese Dokumentation dem Arzt zukommen zu lassen.
https://www.wissensdialoge.de/digitalisierung-was-ist-das-ueberhaupt/
https://www.bmbf.de/de/digitalisierung-in-der-medizin-2897.html

DIGITAL HEALTH
eHealth (Electronic Health) steht als Oberbegriff für alle Vorgänge und Maßnahmen im Gesundheitswesen, bei denen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) (wie bspw. das Internet) über örtliche Grenzen hinaus Patienten diagnostiziert, behandelt und/oder versorgt werden.
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/e/e-health.html
http://www.jmir.org/2001/2/e20/

 

E-HEALTH
Einsatz von elektronischen Medien zur Gesundheitsvorsorge sowie zur medizinischen Versorgung im Krankheitsfall.
E-Health steht für Anwendungen aus den Bereichen Medizin und Gesundheit, die über elektronische Medien wie Computer, Smartphones, Smartwatch oder Handy angeboten werden. Experten können über große Distanzen konsultiert und manche Analysen direkt und konsequent durch elektronische Systeme beim Patienten durchgeführt werden. E-Health-Anwendungen werden das Gesundheitswesen in Zukunft stark prägen. Beispielhaft seien folgende Entwicklungen genannt:
1. Der Datenaustausch zwischen Ärzten und Patienten sowie zwischen staatlichen und privaten Gesundheitseinrichtungen wird erleichtert (Überblick über den gesamten Krankheitsverlauf eines Patienten). Aus den Daten lassen sich statistische Gesundheitsdaten einer Bevölkerung generieren.
2. Algorithmen und Standards automatisieren die Gesundheitsversorgung zu einem gewissen Grad. Mithilfe digitaler Anwendungen können Patienten selbst oder ausgebildete Laien eine erste Krankheitseinschätzung vornehmen.3. Die Telemedizin (Diagnostik und Behandlung in räumlicher Distanz zum Patienten) ist Teil von E-Health. Online-Sprechstunden oder Online-Diagnosen bieten medizinischen Rat auch dann, wenn kein Arzt in räumlicher Nähe ist.
https://en.wikipedia.org/wiki/Digital_health
https://www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/themen_und_schwerpunkte/ikt/Glossar-Digitalisierung-und-nachhaltige-Entwicklung.pdf

FITNESSTRACKER / WEARABLES
Ein Activity Tracker (auch Fitness- bzw. Gesundheits-Armband, Smart Band oder Fitness Tracker) ist ein tragbares elektronisches Gerät („Wearable“) bzw. eine Applikation zur Aufzeichnung und Versendung von fitness- und gesundheitsrelevanten Daten wie etwa Laufstrecken/-zeit, Energieumsatz und Herzschlagfrequenz. Die Bezeichnung wird hauptsächlich für am Körper tragbare elektronische Überwachungsgeräte (Sensoren) verwendet, welche in den meisten Fällen drahtlos mit einem Computer oder Smartphone für die Datenerfassung über einen längeren Zeitraum synchronisiert werden können. Abgesehen von diesen tragbaren Zusatzgeräten gibt es auch vergleichbare Applikationen, die direkt auf einem Smartphone laufen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Activity_Tracker

INFORMATIONELLE SELBSTBESTIMMUNG
Unter der „Informationellen Selbstbestimmung“ wird das Recht jedes Einzelnen verstanden, grundsätzlich selbst über die Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner eigenen, persönlichen Daten zu bestimmen. Ausnahmen sind nur in Einzelfällen möglich.
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html

mHealth
(„mobileHealth“ – Mobile Gesundheit) beschreibt den Einsatz von mobilen und drahtlos angebundenen Geräten (z.B. Smartphones, Tabletts) sowie Apps/mobilen Softwareprogrammen in der Gesundheitsversorgung. Auf diese Weise können Gesundheitsdienstleistungen der Diagnostik, Prävention, Therapie, Rehabilitation und Wellness-Anwendungen auch ohne einen Computerarbeitsplatz erbracht werden.
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/mobile-health.html

PERSONENBEZOGENE DATEN
Personenbezogene Daten enthalten Informationen, die eine natürliche Person identifizierbar macht, mit z.B. Name, Adresse, Geburtsdatum, Telefonnummer, Standort, Kennnummern, Online-Kennung, bis hin zu besonderen Merkmalen.
https://eu-datenschutz-grundverordnung.net/personenbezogene-daten/
https://www.datenschutz-wiki.de/Personenbezogene_Daten
http://www.dpn-datenschutz.de/datenschutz/personenbezogene-daten/

RISIKO
Risiko im Kontext des Klinischen Risikomanagements ist eine Unsicherheit in der Versorgung von Patienten, die mit einer geschätzten Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung Patienten, die an der Versorgung Beteiligten und/oder die Organisation schädigt.

RISIKOAUFKLÄRUNG
In einer ärztlichen Risikoaufklärung wird der Patient über Art, Umfang und Schwere der Erkrankung, die Diagnostik und mögliche therapeutische Maßnahmen mit den jeweiligen Nutzen und Risiken informiert. Nur mithilfe von umfangreichen Informationen kann ein Patient alle Entscheidungen im Rahmen des selbstbestimmten Patienten treffen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ärztliche_Aufklärung

SCHADEN
Schaden ist jeder materielle oder immaterielle Nachteil, den eine Person, eine andere Sache oder ein Ereignis erleidet.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schaden

SIEGEL / ZERTIFIKAT
Ein digitales Zertifikat ist ein elektronischer Datensatz, der die Identität einer Person, eines Rechners oder einer Organisation bescheinigt und der verpflichtend bestimmte Angaben enthalten muss: Namen des Zertifikatsinhabers, Zertifizierungsstelle, Gültigkeitsdauer, Seriennummer, öffentlicher Schlüssel des Inhabers (damit kann die Echtheit des Schlüssels überprüft werden) und digitale Signatur der ausstellenden Zertifizierungsstelle, so dass verifiziert werden kann, ob das Zertifikat echt ist. Im realen Leben kann ein Zertifikat mit einem Personalausweis verglichen werden.
Diese Form des Zertifikats ist nicht zu verwechseln mit Siegeln oder Zertifikaten, die die Sicherheit und Qualität von Gesundheits-Apps bescheinigen sollen. Bisher gibt es keine offizielle Stelle in Deutschland, die Apps unabhängig bewertet. Hersteller können sich an privatrechtliche Unternehmen zur Zertifizierung wenden, die die Anwendungen nach vielfältigen, jedoch nicht einheitlichen Kriterien prüfen.
https://www.datenschutzbeauftragter-info.de/wie-funktioniert-ein-digitales-zertifikat/
https://de.wikipedia.org/wiki/Digitales_Zertifikat
https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/e-health/article/946268/bayern-aerztetag-dringt-zertifikat-apps.html
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/Abschlussbericht_CHARISMHA.pdf

TELEMEDIENGESETZ (TMG)
Das Telemediengesetz regelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für sogenannte Telemedien (z.B. Internetdienste) in Deutschland. Es ist eine der zentralen Vorschriften des Internetrechts. Das TMG fasst weitestgehend in einem Gesetz zusammen, was zuvor auf drei verschiedene Regelwerke verteilt war. Das TMG enthält unter anderem Vorschriften zum Impressum für Telemediendienste, zur Bekämpfung von Spam, zur Haftung von Dienstbetreibern für gesetzeswidrige Inhalte in Telemediendiensten, zum Datenschutz beim Betrieb von Telemediendiensten und zur Herausgabe von Daten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Telemediengesetz#Telemedien
https://www.gesetze-im-internet.de/tmg/BJNR017910007.html

Beispiel Wundinfektion

 

Ein Patient mit lebensbedrohlichen Schnittverletzungen wird in der Notaufnahme behandelt.

 

Szenario 1

Die Wunden sind verunreinigt und können nicht vollständig desinfiziert werden. Aufgrund der verunreinigten Wunden bleiben Bakterien zurück, es entsteht eine Entzündung.

 

Kommentar: Die Entzündung ist Folge der Verletzung und deshalb als krankheitsbedingte Komplikation zu werten; es liegt kein unerwünschtes Ereignis vor.

 

Szenario 2

Die Wunden sind verunreinigt, können aber vollständig desinfiziert werden und werden anschließend versorgt. Der Patient muss jedoch an anderer Stelle (z.B. Bauchraum) operiert werden, um eine „innere Blutung“ zu stillen. Trotz Einhaltung aller gültigen Hygienestandards kommt es einigen Tagen zu einer Infektion dieser Operationswunde. Der bakteriologische Abstrich zeigt einen positiven Befund.

 

Kommentar: Die Infektion beruht auf der zweiten Operation, also der Behandlung und stellt ein unerwünschtes Ereignis dar. Da ein Fehler, z.B. bei der Einhaltung der gültigen Hygienestandards ausgeschlossen werden kann, hätte das unerwünschte Ereignis nicht vermieden werden können.

 

Szenario 3

Die Wunden sind verunreinigt. Bei der Desinfektion werden die Hygienestandards nicht eingehalten. Es kommt zu einer Wundinfektion. Der bakteriologische Abstrich zeigt einen positiven Befund.

 

Kommentar: Das Nichteinhalten der Hygienestandards stellen einen Fehler im Behandlungsprozess dar. Im vorliegenden Beispiel ist dieser ein Auslöser für eine postoperative Wundinfektion. Es handelt sich um ein vermeidbares unerwünschtes Ereignis.

 

Szenario 4

Die Wunden sind verunreinigt. Bei der Desinfektion werden die Hygienestandards nicht eingehalten. Trotz dieses Fehlers verheilen die Wunden verheilen gut, der Patient zeigt keine Symptome einer postoperativen Wundinfektion.

 

Kommentar: Die fehlende Desinfizierung stellt einen Fehler im Behandlungsprozess dar. Im vorliegenden Fall bleiben diese Fehler ohne Folgen für den Patienten: Obwohl die Hygienemaßnahmen nicht im geplanten Umfang durchgeführt wurden, entwickelt der Patient keine Wundinfektion. Es handelt sich um einen Beinaheschaden

Beispiel Arzneimittelallergie

 

Der Arzt verschreibt einem Patienten ein Antibiotikum.

 

Szenario 1

Im Rahmen des ärztlichen Aufklärungsgesprächs fragt der Arzt den Patienten, ob er gegen den Wirkstoff des Antibiotikums allergisch sei. Der Patient antwortet, dass er den Wirkstoff noch nie eingenommen hat und verneint die Frage. Nach einigen Tagen zeigt der Patient allergische Reaktionen.

 

Kommentar: Die Arzneimittelallergie ist eine unmittelbare Reaktion auf das Medikament und deshalb ein unerwünschtes Ereignis. Zum Zeitpunkt der Verschreibung war sie weder dem Arzt noch dem Patienten bekannt und wäre daher nicht vermeidbar gewesen.

 

Szenario 2

Im Rahmen des ärztlichen Aufklärungsgesprächs fragt der Arzt den Patienten, ob er gegen den Wirkstoff des Antibiotikums allergisch ist. Der offensichtlich stark schwerhörige Patient versteht die Frage nicht und gibt keine eindeutige Antwort. Ein leichtes Kopfneigen interpretiert der Arzt als Verneinung. Der Patient, der die Fragen des Arztes nicht vollständig versteht, ist durch die Situation stark abgelenkt und vergisst, den Arzt über die ihm bekannten Arzneimittelallergien zu informieren. Nach einigen Tagen zeigt der Patient allergische Reaktionen.

 

Kommentar: Die Arzneimittelallergie ist eine unmittelbare Reaktion auf das Medikament und deshalb ein unerwünschtes Ereignis. Im vorliegenden Fall hat der Arzt den Patienten nach bekannten Arzneimittelallergien befragt, es jedoch bei einer nicht eindeutigen Antwort belassen. Diese Abweichung vom geplanten Frage-Antwort-Schema stellt einen Fehler dar, der in Verbindung mit der fehlenden Auskunft des Patienten zur Verschreibung des falschen Medikaments führt. Deshalb handelt es sich um ein vermeidbares unerwünschtes Ereignis.

 

Szenario 3

Im Rahmen früherer Behandlungen hat der Arzt den Patienten nach Arzneimittelallergien befragt und in seiner Akte vermerkt, dass keine Allergien bekannt sind. Da der Arzt den Patienten gut kennt, verzichtet er auf ein erneutes Fragen im Rahmen des Aufklärungsgesprächs.

 

Kommentar: Der Arzt handelt im vorliegenden Fall plausibel und nachvollziehbar. Wurde die Patientenakte jedoch vor längerer Zeit angelegt, sollten bestimmte Informationen von Zeit zu Zeit aktualisiert werden. Bei dieser Art der Dokumentation besteht deshalb die Gefahr, dass – unabhängig von einem Fehler – inzwischen bekannt gewordene Arzneimittelallergien unentdeckt bleiben. Es handelt sich daher um ein kritisches Ereignis.

 

Szenario 4

Im Rahmen des ärztlichen Aufklärungsgesprächs vergisst der Arzt den Patienten nach bekannten Arzneimittelallergien zu fragen und will dem Patienten ein Rezept für ein bestimmtes Antibiotikum ausstellen. Der Patient weiß, dass er auf bestimmte Wirkstoffe allergisch reagiert und fragt nach, ob in dem Präparat der Wirkstoff „xy“ enthalten sei. Der Arzt weiß jetzt, dass der Patient auf das Medikament allergisch reagieren würde und verschreibt ein anderes Antibiotikum.

 

Kommentar: Der Arzt vergisst, den Patienten nach bekannten Arzneimittelallergien zu fragen und macht einen Fehler. Durch das Nachfragen des Patienten erkennt er seinen Fehler und kann ihn rechtzeitig korrigieren. Es handelt sich um einen Beinaheschaden.