Die feierliche Verleihung des Deutschen Preises für Patientensicherheit 2018 fand am 03.05.2018 im Rahmen der APS-Jahrestagung am 03./04.05.2018 in Berlin statt.
Bild (v.l.n.r.): Prof. Dr. Worth (Deutsche Atemwegsliga) Dr. Ginski/Dr. Dr. Treder/Rosenbaum/Dr. Hünefeld(St. Franziskus Stiftung Münster), Dr. Röher/Dr. Apostolidou (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) Monika Andraschko (Apotheke des Klinikums der Universität München)
Jedes Jahr sterben etwa 15000 Patienten in Akutkrankenhäusern an Infektionen (Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene). Die Vermeidung von Infektionen im Krankenhaus und die zeitnahe Diagnostik und Behandlung von Patienten mit Infektionen sind daher von zentraler Bedeutung für die Patientenversorgung. Eine hohe interdisziplinäre Vernetzung der Infektiologie, Mikrobiologie und Krankenhaushygiene ist für ein effektives Infektionsmanagement unerlässlich. Gleichwohl werden diese komplexen Aufgaben in Krankenhäusern meistens von unterschiedlichen Abteilungen und häufig auch von externen Dienstleistern wahrgenommen.
Das Kompetenzzentrum für Mikrobiologie und Hygiene der St. Franziskus-Stiftung Münster hingegen verfolgt ein umfassendes interdisziplinäres Gesamtkonzept für mehr Patientensicherheit mit dem Fokus auf Infektionsvermeidung, Infektionsmanagement und Schutz vor Keimübertragung.
Die Fachdisziplinen sind im Kompetenzzentrum gebündelt und sehr eng mit den klinischen Abteilungen verzahnt. Eine hauseigene mikrobiologische Diagnostik mit kurzer Untersuchungsdauer und 24/7- Verfügbarkeit, sowie eine leitliniengerechte standardisierte Therapie mit Antiinfektiva ermöglichen eine optimierte Behandlung von Patienten mit Infektionen. Die positiven Effekte sind direkt greifbar: Im Rahmen der Tätigkeiten des Antibiotic Stewardship (ABS) konnte z.B. gezeigt werden, dass die Steuerung der Verbräuche von Antibiotika zu einer Reduzierung der nosokomialen Clostridium-difficile-Infektionen (CDI) führte. Die Verbesserung des diagnostischen Vorgehens führt dazu, dass die oftmals lebensgefährlichen Blutstrominfektionen deutlich früher diagnostiziert werden als bei Untersuchungen durch externe Einrichtungen; der Zeitvorteil kann bis zu 24 Stunden betragen und Leben retten. Die zeitnahe Bestimmung der Spiegel ausgewählter Antibiotika durch Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) bei Intensivpatienten wird dazu genutzt, Dosierungen an die individuelle Situation von Patienten anzupassen, um ausreichende Wirkspiegel sicher zu gewährleisten. Die Blutkulturdiagnostik konnte durch die Entwicklung und Einführung eines standardisierten Entnahmesets verbessert werden; die Rate falsch positiver Blutkulturergebnisse konnte entscheidend gesenkt werden. Mit der Implementierung des Kompetenzzentrums für Mikrobiologie und Hygiene mit seinem 22-köpfigen Mitarbeiterteam konnte nun eine verbesserte Behandlungsqualität und Patientensicherheit für die zur St. Franziskus-Stiftung Münster gehörigen 15 Krankenhäuser bei der Diagnostik und Behandlung von Infektionskrankheiten realisiert werden.
Hauptautor:
Dr. med. Dr. rer. nat. Wolfgang Treder, Chefarzt des Kompetenzzentrums für Mikrobiologie und Hygiene
Die stationäre Aufnahme von Patienten ist eine klassische und zugleich kritische Schnittstelle im Gesundheitswesen. Eine strukturierte Arzneimittelanamnese ist Voraussetzung für eine risikoreduzierte Arzneimittelversorgung und Gewährleistung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) während des stationären Aufenthaltes. Die Arzneimittelanamnese bei stationärer Aufnahme durch Apotheker ist an verschiedenen operativen Kliniken bereits etabliert. Die Herausforderung in der Praxis ist es, besonders gefährdete Patienten schnell zu erkennen. MARIAM ist ein interprofessionelles Projekt der Apotheke, Ärzte und Pflege im Klinikum der Universität München. Es wird geprüft, ob beim Patienten Risikofaktoren vorliegen, die die AMTS stationär und gegebenenfalls in der ambulanten Weiterbehandlung beeinflussen können. Die Patienten können auf relevante Risikofaktoren, wie fehlerhaftes präoperatives Absetzen von Arzneimitteln, eingeschränkte
Nierenfunktion, QT-Zeit-Verlängerung, Penicillinallergie und anticholinerge Belastung gescreent werden. Die Informationen stehen dem behandelnden Arzt am „point of care“ im Klinischen Arbeitsplatzsystem (KAS) zur Verfügung, damit können die für den Patienten relevanten Maßnahmen zur Sicherung der AMTS umgehend veranlasst werden.
Auch von Ärzten anderer Fachrichtungen, z.B. Konsildienste sind sie einsehbar, im Entlassmanagement können die Informationen für Medikationspläne und Angaben zur Arzneimitteltherapie im Arztbrief genutzt werden. Im Rahmen von Diplom- und Doktorarbeiten werden die verschiedenen Teilaspekte von MARIAM weiter ausgebaut, evaluiert und veröffentlicht.
Projektgruppe:
Dr. Dorothea Strobach und Monika Andraschko, MBA, Apotheke des Klinikums der Universität München
Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD werden vorwiegend mit inhalativen Medikamenten behandelt. Es gibt zahlreiche Inhalationssysteme, die unterschiedlich zu handhaben sind. Die Inhalationstechnik muss erklärt und regelmäßig geübt werden. Im klinischen Alltag werden bei der Inhalationstechnik oft Fehler gemacht.
Die Deutsche Atemwegsliga e.V. hat eine flächendeckend und jederzeit verfügbare videogestützte Aufklärungsplattform aufgebaut, bei der sowohl Fachleute als auch Patienten und Patientinnen jederzeit die notwendigen und korrekten Informationen und Anleitungen über die jeweiligen Inhalationssysteme und -techniken abrufen können. Die richtige Anwendung der Inhalationssysteme wird in kurzen Filmen dargestellt. Die Filme sind in mehreren Sprachen über YouTube und atemwegsliga.de abrufbar. Auf der Internetseite werden zusätzliche schriftliche Informationen gegeben. Der Patient/die Patientin kann den Film beliebig oft ansehen, gewinnt dadurch Sicherheit im Umgang mit „seinem/ihrem“ Inhalationssystem oder kann gezielt Fragen stellen. Erst durch die richtige Anwendung kann das verordnete inhalative Medikament seine gewünschte Wirkung entfalten. Der Patient/die Patientin nimmt die Wirkung wahr, Symptome werden verringert, sinnloses Sprühen wird vermieden. Durch die effektive Therapie wird eine Verschlechterung der Erkrankung verhindert, die zu weiteren therapeutischen Maßnahmen führen würde. Auf diese Weise werden mit hoher Wahrscheinlichkeit unerwünschte Ereignisse auf Grund einer eigentlich unnötigen weiteren Behandlung unterbunden.
https://www.youtube.com/user/Atemwegsliga/playlists
https://www.atemwegsliga.de/richtig-inhalieren.html
Hauptautorin:
Dr. Uta Butt, Geschäftsführerin Deutsche Atemwegsliga e.V., Bad Lippspringe
In den nationalen und internationalen Leitlinien zur Durchführung von Analgosedierungen für diagnostische Maßnahmen und kleine Eingriffe bei Säuglingen und Kindern werden verschiedene Sicherheitsstandards empfohlen. Vor allem sollen nach den Empfehlungen tiefe Analgosedierungen nicht durch den denselben Arzt durchgeführt werden, der auch die Prozedur durchführt. Oft werden Analgosedierungen allerdings vom Kinderarzt „nebenher“ übernommen, und auch die qualifizierte Beherrschung von Zwischenfällen ist nicht immer sichergestellt. Aus diesen Überlegungen heraus ist am UKE ein spezialisiertes Team zur Durchführung von Kinderanalgosedierungen etabliert worden (Kinderanalgosedierungsteam, KAST). Damit ist gewährleistet, dass sowohl die Aufgaben „Sedierung“ und „Untersuchung“ nicht von demselben Behandler durchgeführt werden als auch ein breites Sicherheitsnetz im Falle von Komplikationen zur Verfügung steht.
Unter Federführung des Bereichs Qualitätsmanagement des UKE wurde von einer interprofessionellen und interdisziplinären Projektgruppe die Einführung eines Teams für Kinderanalgosedierungen organisiert. Nach Genehmigung durch den Vorstand des UKE erfolgte die Umsetzung mit Anschaffung eines mobilen Arbeitsplatzes und Schaffung einer Vollzeitstelle sowohl für einen Facharzt (aufgeteilt auf Pädiatrie und Anästhesiologie) als auch einer Pflegekraft des Anästhesie-Funktionsdienstes. Seit August 2014 werden alle Analgosedierungen bei Kindern im gesamten Universitätsklinikum vom KAST durchgeführt.
Die Etablierung des KAST ermöglicht ein leitliniengerechtes Vorgehen bei der Analgosedierung von Kindern. Die retrospektive Auswertung der Sedierungsprotokolle aus dem Zeitraum August 2014 bis August 2015 ergab, dass bei 6,5% der insgesamt 784 Sedierungen unerwünschte Ereignisse auftraten. Es gab keine schwerwiegenden Komplikationen wie Herz-Kreislaufstillstand oder Aspiration. Lediglich in 4 von 784 Fällen (0,5%) musste die Prozedur aufgrund einer nicht lebensbedrohlichen Komplikation abgebrochen werden. Eine signifikante Verringerung des Komplikationsrisikos war unter anderem mit jedem Quartal mehr an Behandlungserfahrung des KAST festzustellen. Die beobachteten Komplikationsraten liegen in der Größenordnung vergleichbarer Literaturangaben. Die Ergebnisse belegen, dass eine entsprechende Expertise im Bereich der Analgosedierung komplex kranker Kinder einen wesentlichen Faktor für die Sicherheit darstellt. Somit können Patientensicherheit und Untersuchungsergebnisse wesentlich verbessert werden.
Für die Projektgruppe:
Dr. med. Sofia Apostolidou und Dr. med. Katharina Röher, Leitung des Kinderanalgosedierungsteams am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Um den Deutschen Preis für Patientensicherheit 2018 haben sich insgesamt 22 Einrichtungen, Unternehmen, Institutionen und Einzelpersonen beworben.
Sie alle leisten einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Patientensicherheit und stellen hierfür wichtige Maßnahmen dar. Wir freuen uns, dass wir von einigen Bewerbern das Einverständnis erhielten, das jeweilige Exposé ihrer Arbeit zu veröffentlichen.
(Die Reihenfolge ist zufällig).
Projekt: Konzeption, Implementierung und Evaluation eines Fehlerberichts- und Lernsystems in der ambulanten Versorgung („TKCIRS“)
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Allgemeinmedizin, Hauptautorin: Dr. Beate Müller
Projekt: Tübinger Trainingssystem für flexible Endoskopie als entscheidender Faktor zur Verbesserung der Patientensicherheit
Universitätsklinikum Tübingen, Experimentelle Chir. Endoskopie, Zentrum für Medizinische Forschung, Hauptautor: Prof. Dr. K. E. Grund
Wissenschaftliche Arbeit: UKAPO – Unterstützte Kommunikation in der Apotheke
Markus Kosock für das Methodenzentrum Unterstützte Kommunikation gemeinnützige UG (haftungsbeschränkt)