Patientenworkshop 2022 des Aktionsbündnis Patientensicherheit

Veranstaltungs-Rückblick

„Patientensicherheit und Gesundheitskompetenz: Informationen finden, Gefahren erkennen“

Aus dem Vortrag des Patientenbeauftragten:

Das gemeinsame Ziel aller Akteure muss es sein, die bestmögliche Gesundheitsversorgung zu bieten. Das bedeutet immer, dass diese Versorgung auch sicher sein muss: dass Patientinnen und Patienten, die sich durch das Gesundheitswesen bewegen, eine fundierte und schadensfreie medizinische Versorgung durch medizinisches Fachpersonal erhalten.

 

Für dieses Ziel gibt es Gelingensfaktoren, aber auch Hindernisse. Die wichtigste Basis für eine sichere gesundheitliche Versorgung ist die Patientensicherheits-Kultur. Sie ist das Fundament für die Wachsamkeit, unerwünschte Ereignisse zu vermeiden oder ihnen bestmöglich zu begegnen. Sie führt aber auch dazu, sich mit den Risiken unserer hochtechnisierten und arbeitsteiligen gesundheitlichen Versorgung auseinanderzusetzen und sich bewusst zu sein; „Irren ist menschlich“. Wichtig ist, die richtigen Konsequenzen aus unerwünschten Ereignissen zu ziehen, aus Fehlern zu lernen. Denn auch für die Behandelnden, sei es in der Pflege, der Medizin oder den anderen Fachdisziplinen gilt: nichts ist schlimmer als mit einem selbstverursachten Fehler, der einen gesundheitlichen Schaden angerichtet hat, leben zu müssen.

 

Der zweite Gelingensfaktor ist die Patientensicherheits-Kompetenz. Patientensicherheit, Risikomanagement, der Umgang mit Stress und unübersichtlichen Situationen sind erlernbar. Es gibt Instrumente und Methoden unerwünschten Ereignissen vorzubeugen und Sicherheitschecks durchzuführen. Es freut mich, dass das Gesundheitsziel auch die Kompetenz der Patientinnen und Patienten adressiert. Sie sind das einzige Kontinuum, welches den gesamten Prozess der gesundheitlichen Versorgung durchläuft, seine Schnittstellen, die unterschiedlichen Beteiligten und die Kommunikationsschwierigkeiten erlebt. Zudem wissen wir, dass Chroniker nur ein Prozent ihrer Zeit im Gesundheitssystem verbringen, die übrige Zeit leben sie außerhalb des Gesundheitssystems mit ihrer Erkrankung – auch sie benötigen Kompetenzen, damit sie sicher mit ihrer Erkrankung im Alltag umgehen können. Das bedeutet natürlich nicht eine Verschiebung der Verantwortlichkeiten für die sichere Gesundheitsversorgung, es zeigt aber das Potential, wenn Patientinnen und Patienten zielgerichtet in die Lage versetzt werden, ihre Kompetenzen für ihre eigene Sicherheit zu nutzen.

 

 

Weitere Kernbotschaften aus der Rede des Patientenbeauftragten:

 

Gesundheitskompetenz umfasst das Wissen und die Fähigkeit Versorgungsprozesse zu kennen und einschätzen zu können.

 

Never Events-Register einrichten und prüfen, verwalten, aktualisieren

 

Patientensicherheitskultur und Kompetenz bedarf der Wachsamkeit, unerwünschte Ereignisse zu vermeiden und ggf. Konsequenzen daraus zu ziehen

 

Patientensicherheitskultur hat Priorität

Second Victims vermeiden

Vorbeugung und Vermeidung von Fehlern über Sicherheitschecks

 

Angebote, die helfen, systematisch Sicherheitsaspekte herauszuarbeiten, müssen in den Prozess der Gesundheitsversorgung integriert werden.

 

Es ist im Interesse aller – auch der Angehörigen der Gesundheitsberufe – Gesundheitskompetenz aller Akteure im Gesundheitswesen zu stärken, um so zu mehr Patientensicherheit zu gelangen.

Patientensicherheitskompetenz kann nur gelingen, wenn mehr Gesundheitskompetenz geschaffen wird. Voraussetzung ist die Ausrichtung des gesamten Gesundheitssystem in Richtung der Stärkung der allgemeinen Gesundheitskompetenz. Das bedeutet für Gesundheitsberufe: Arbeiten in einer Kultur der Fehleranerkennung und des Lernens.

 

Gefordert ist eine Stärkung der Strukturen, die Gesundheitskompetenz fördert, eine gesetzgeberische Verankerung sowie die Unterstützung der Patientinnen und Patienten bei der Aufarbeitung (Härtefallfonds).

 

Besondere Maßnahmen als Beispiele:

 

Initiative Medikationsplan schafft Überblick der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenorganisationen (BAGSO) Wie kann ich besser mit Arzneimitteln umgehen?

Der Medikationsplan unterstützt Gesundheitskompetenz, schafft Übersicht und Sicherheit

Unabhängige Patientenberatung: Neustrukturierung bedeutet auch Vernetzung in der Breite und bessere Beratung

 

Patientenlotsen sind wichtige Ansprechpartner

 

Die Geschäftsstelle des Patientenbeauftragten fördert ein Projekt zur organisationalen Gesundheitskompetenz, das aus zwei Teilen besteht: der theoretischen Grundlage (Universität Bielefeld) und dem Entwurf eines Methodenkoffers (RWTH Aachen).

 

Podiumsdiskussion

2/3 der Patientinnen und Patienten sind der Auffassung, sie könnten selbst dazu beitragen, in Praxis und Krankenhaus sicher versorgt zu werden (TK-Monitor kontinuierlich, 2022 noch nicht veröffentlicht)

 

Chronisch kranke Menschen verbringen nach Angaben der Selbsthilfe nur ca. 1% der Zeit im Gesundheitswesen, die restliche Zeit leben sie mit ihrer Erkrankung außerhalb.

 

Corinna Schaefer stellte in ihrem Eingangsstatement dar:

 

Was ist Gesundheitskompetenz und Patientensicherheitskompetenz aus Sicht der Behandelnden bzw. des deutschen Netzwerks Gesundheitskompetenz?

Was kann man von den Behandelnden erwarten und was erwarten diese von den Patientinnen und Patienten?

 

Prof. Dr. Marie-Luise Dierks ging in ihren Statement darauf ein:

 

Wie würden Sie Gesundheitskompetenz und Patientensicherheitskompetenz aufgrund Ihrer Erfahrungen mit der Patientenuniversität Hannover und dem Selbstmanagement definieren?

Was kann man von Patientinnen und Patienten erwarten?

 

Dr. Günther Jonitz stellte im Vorgriff auf die Vorstellung des Gesundheitsziels Patientensicherheit dar::

 

Welche Schnittmengen gibt es zwischen der Gesundheitskompetenz und der Patientensicherheitskompetenz?

Wie könnte beides gestärkt werden?

 

Fazit:

 

Das Gesundheitssystem muss ganzheitliche Betrachtung der/des Patientin/en fördern

 

Ökonomische Interessen müssen zurückgefahren werden

 

Vernetzung, Unabhängigkeit sind wichtige Faktoren, das ambulante Setting nicht vergessen

 

Diskussion und Erfahrungsaustausch

 

Stärkung der individuellen Patientensicherheitskompetenz

 

Hierzu gab es insbesondere folgende Vorschläge und Anregungen:

 

Gesundheitskompetenz erfordert Mut, die Fähigkeit Fragen zu stellen und Vertrauen, ist mehr als Compliance/Adherence, auch die Befähigung, nein zu sagen zu Therapien

 

Gute Beispiele gibt es:

Disease Management Programme (DMPs)

Rehabilitation – Schulungen auch zur Gesundheitskompetenz

 

Anpassungen in der Praxissoftware: z.B. Teachback Module, aktive Nachfragen bei den PatientInnen zum Verständnis

 

Patientenleitfäden in Krankenhäusern

 

Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (§ 116b SGB V) sieht Ähnliches vor: Das ASV-Team informiert über Angebote, die beim täglichen Umgang mit der Erkrankung hilfreich

sein können. Hierzu zählen zum Beispiel Angebote von Selbsthilfeorganisationen, sozialen Diensten und nichtärztlichen Berufsgruppen

 

Wichtige Multiplikatoren/Ansprechpartner:

Nationale Präventionskonferenz

Bildungseinrichtungen

Schulgesundheitsfachkräfte (Scoolnurses), in den Ländern noch nicht flächendeckend eingeführt

 

Programm „Pausenlos gesund“

 

Nutzung der sicherheitsrelevanten Patientenerfahrungen

 

Wichtige Quelle zur Datengewinnung über Sicherheitsaspekte

 

Systematische Aufarbeitung ist wichtig

 

bei der Selbsthilfe (Sekis, NAKOS?) – ACHSE führt Statistik

 

Die UPD könnte zukünftig verstärkt auch zu Patientensicherheitsaspekten berichten

 

Erarbeiten eines Kerndatensatzes bei Patientenfürsprache und Beschwerdemanagement

 

Patientenbefragungen oder Leistungsbewertungen gleich nach der Behandlung – auch ambulant

 

Patienten- oder Versicherten-CIRS z.B. bei Krankenkassen

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